Schönheitschirurge. Kriegsarzt. Gründer der Hilfsorganisation Swisscross.
Gelernt hat Dr. Enrique Steiger sein Handwerk in Rio de Janeiro, bei der Nummer eins der Branche: Ivo Pitanguy. Zu Steiger kommen die obersten fünf Prozent der Gesellschaft. Reiche, die nicht mit Schönheit gesegnet sind. Schöne, die auf Kinoleinwänden und Plakaten werben. Allein aus Hollywood stehen 50 Unvollkommene auf seiner Warteliste.
Wer Pech hat, dem wird kurzfristig abgesagt, weil der Chirurg etwas Besseres vorhat. Wenn irgendwo am anderen Ende der Welt – in Ruanda, Afghanistan, Mali oder Syrien – geschossen und gekämpft wird, sich an den Flughäfen Menschen an Ticketschaltern drängen, um wegzukommen, dann packt Steiger in seiner Villa an der Zürcher Goldküste die Koffer. Wenig später kommt er dort an, von wo die anderen abhauen. Wenn Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Ärzte und Diplomaten ausgeflogen werden, ist Steiger oft der Einzige, der am Airport durch die Einreisekontrolle geht.
Bei so ziemlich allen großen Konflikten und Kriegen der vergangenen 25 Jahre war Steiger dabei. Drei Monate pro Jahr verbringt er in den Krisengebieten dieser Welt, ohne dass ihn einer dafür bezahlt. In Liberia operierte er 2003 nur 30 Minuten von der Front entfernt. In Schubkarren wurden ihm täglich bis zu 500 Schwerverletzte gebracht. Mit Schusswunden, abgerissenen Armen und Beinen, Verletzungen, die man in einem europäischen Krankenhaus kaum je zu Gesicht bekommt.
Mit drei anderen Chirurgen arbeitete er im Schichtdienst: 18 Stunden operieren, dann sechs schlafen – unbequem, auf dem Fußboden, mit einer Matratze über sich, um sich vor Kugeln und Explosionen zu schützen. Im Sudan behandelte er 2007 unter freiem Himmel. Das Krankenhaus war zerstört. Mit dem Motor eines Jeeps betrieb er die OP-Lampe. Weil Fachpersonal fehlte, lernte er 2001 in Sierra Leone den Metzger an, den Mann hatte er kurz zuvor zusammengeflickt. Innerhalb von Tagen brachte er ihm das Notwendige bei. Nähen, klammern, Blut absaugen. Bei aufwendigen Operationen hielt der Mann die Aderpresse, und wenn nicht genügend Narkosemittel vorhanden war, hielt er die schreienden Patienten fest. »Er hat die Schwangeren entbunden«, sagt Steiger, »und kleinere Eingriffe wie Blinddarm-OPs gemacht.« Ein gutes Team seien sie gewesen, damals im Bürgerkrieg.
Enrique Steigers Organisation Swisscross ist eine Art ziviler Sicherheitsdienst, der dann präsent ist, wenn in den UNO-Gremien und in den westlichen Medien ein Konflikt noch gar nicht richtig wahrgenommen wird, aber die Menschen vor Ort dringend auf Hilfe angewiesen sind und diese auch eigenständig anfordern. Swisscross will helfen und medizinisches Personal schützen. So wie die Ärzte in Krisengebieten bei den Behandlungen keinen Unterschied machen, ob ein Kämpfer oder ein Zivilist unter dem Messer liegt, so will auch Swisscross für keine Seite Stellung beziehen, ausser die medizinischen Einrichtungen zu schützen.